Mehr Energieeffizienz in der Produktion - Blue Responsibility Hersteller nutzen Potentiale.



Die Bundesregierung hat mit dem Klimaschutzprogramm und der Energieeffizienzstrategie ehrgeizige Ziele zur Verringerung des Energieverbrauchs vorgegeben. Für die Industrie bedeutet das nicht nur  effizientere Produkte anzubieten, Effizienzgewinne lassen sich vielmehr auch in der Produktion erzielen. Auch viele Unternehmen der Initiative Blue Responsibility setzen schon entsprechende Maßnahmen um - mit messbarem Erfolg.


Die Industrie hat verstanden. An einem nachhaltigeren Wirtschaften, bei dem Ressourcen gespart und das Klima geschont werden, geht heute kein Weg mehr vorbei. Nicht nur auf politischen Druck hin, sondern auch aus gesellschaftlicher Verantwortung. Der jüngste Energieeffizienzindex des Instituts für Energieeffizienz in der Produktion der Universität Stuttgart zeigt, dass nur eine verschwindend kleine Zahl von Unternehmen bislang noch nichts in diese Richtung unternommen hat. Fast ein Drittel der Unternehmen in der aktuellen Befragung vom Winter 2019 ist bereits dabei, den Energiebedarf durch Effizienzmaßnahmen zu reduzieren, fast 40 Prozent erzeugen schon ihren eigenen Strom mit erneuerbaren Energien oder kaufen Grünstrom zu.  In der Betrachtung der einzelnen Branchen fällt auf, dass die Unternehmen im Maschinenbau, zu dem die Stuttgarter Forscher auch die Gebäudetechnik zählen, deutlich mehr als in anderen Industrien auf Energieeffizienz in der Produktion setzen.

Im Maschinenbau spielt dabei Digital Prototyping eine große Rolle. Von der Ideenfindung und Konzeption über die Entwicklung, Konstruktion, Simulation bis hin zur Fertigung entsteht das Produkt zunächst am Rechner. Änderungen, Fehlerbeseitigung und Optimierung werden an digitalen Prototypen noch vor Eintritt in die Serienfertigung vorgenommen. Dadurch lassen sich erhebliche Kosteneinsparungen bei Material und Energie erzielen.

Auf der Suche nach Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz geht jedes Unternehmen darüber hinaus vor allem aber von seinen ganz speziellen Produktionsgegebenheiten aus. Beispiel Sanitärkeramik: Die Herstellung von Waschbecken und Toiletten ist aufgrund des nötigen Brennprozesses mit sehr hohen Temperaturen von rund 1200 Grad Celsius sehr energieintensiv und macht ungefähr zwei Drittel des Energieverbrauchs in einem Keramikwerk aus. Hier setzt der Sanitärproduktehersteller Geberit an. In den letzten Jahren ersetzte er schrittweise elf Brennöfen in sieben Keramikwerken mit Brennern, die aufgrund einer neuartigen Technologie über 20 Prozent weniger Energie brauchen. Dies entspricht jährlich einer Ersparnis von 27.500 MWh Erdgas bzw. 6.500 Tonnen CO2. Die Menge reicht aus, um rund 1.500 Vierpersonenhaushalte mit einer Wohnfläche von 120 m² ein Jahr lang mit Wärme und Warmwasser zu versorgen.  Die neue Technologie senkt dank ihres höheren Wirkungsgrades nicht nur den Energiebedarf eines Brenners, sondern ermöglicht es darüber hinaus, die warme Luft im Abkühlungsprozess für die Vorwärmzone des nächsten Brennprozesses zu nutzen.

 

Es muss nicht immer teuer sein

Auch ohne große Investitionen lassen sich Energieeinsparungen in der Produktion erzielen. Gar nichts kostet eine ganz einfache Maßnahme: Maschinen abschalten, die nicht gebraucht werden. Das ist in der Praxis längst nicht überall der Fall. Werker scheuen oft davor zurück, weil sie Sorge haben, beim Wiedereinschalten könnten Probleme auftreten, die dann Stillstände verursachen. „Man muss im Betrieb kommunizieren, dass das Abschalten ausdrücklich gewollt ist und man muss sicherstellen, dass das auch gefahrlos möglich ist“, sagt Rainer Michalik, der beim Armaturen- und Pumpenhersteller KSB für alle Nachhaltigkeitsfragen zuständig ist. Die Senkung der Temperaturen in den Produktionshallen ist eine weitere Energiespar-Option, die in vielen Betrieben schon realisiert wurde. Studien zeigen, dass eine Verringerung der Raumtemperatur um ein Grad eine Energieersparnis von sechs Prozent bringen kann.  Viele Unternehmen der Branche setzen neuerdings auch auf neue Beleuchtungskonzepte. Im Mittelpunkt steht hier meist der Austausch vorhandener Leuchtmittel gegen LED. Auch eine Verbesserung der Prozessstabilität trägt zur Vermeidung von Ressourcenverlusten bei und leistet damit einen Beitrag zu mehr Energieeffizienz.

„Die Hersteller von Gebäudearmaturen leisten mit ihren Maßnahmen zur Energieeinsparung in der Produktion einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz“, sagt Wolfgang Burchard, Sprecher der Nachhaltigkeitsinitiative Blue Responsibility und Geschäftsführer des VDMA Armaturen. „Sie zeigen damit auch, dass sie nicht dabei stehenbleiben, ihre Produkte energetisch zu optimieren, sondern dass sie immer mehr die Effizienzfrage über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes stellen, also von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis zur Entsorgung.“

Wissen, woran man ist

Kleine Unternehmen mit einer überschaubaren Produktion können in der Regel schnell erkennen, an welchen Stellschrauben sie drehen müssen, um mehr Energieeffizienz zu erreichen. Je größer ein Unternehmen ist, desto schwieriger ist dieser Überblick. Deshalb steht für solche Unternehmen am Anfang jedes Effizienzstrebens die genaue Ermittlung des tatsächlichen Energieverbrauchs. Der Haustechnik-Spezialist Resideo beispielsweise ermittelt und bewertet alle produktionsrelevanten Energieverbräuche auf monatlicher Basis und bildet daraus Kennzahlen, die die Grundlage für die jährlichen Einsparungsziele bilden.  Auch das Familienunternehmen Kemper setzt auf Kennzahlen. Um sie zu ermitteln, hat es in seinem Werk in Olpe mehr als 200 Strom- und Gaszähler installiert, die im Viertelstundentakt ausgelesen werden. Seine Effizienzziele überprüft er dazu wo möglich mit Vergleichszahlen aus der Industrie, um zu sehen, wo die Benchmarks liegen. Die Effizienzziele setzen sich die Unternehmen immer häufiger auch im Rahmen von Zertifizierungen, wie etwa der ISO 14001, dem weltweit akzeptierten Standard für Umweltmanagementsysteme.

Energieeinsparungen werden zunehmend als Teil des übergeordneten Ziels der CO2-Verringerung betrachtet. Denn es ist absehbar, dass hier über kurz oder lang Regulierungen vom Gesetzgeber kommen werden. „Es gibt richtigerweise gesellschaftlichen und politischen Druck. Da ist es ratsam, früh anzufangen und jetzt schon den CO2-Ausstoß schrittweise zu verringern“, sagt Michalik von KSB. Sein Unternehmen hat einen weltweiten CO2-Ausstoß von gut 100.000 Tonnen ermittelt und will diesen bis 2025 um 30 Prozent gegenüber 2018 verringern. Bei einer CO2-Bepreisung von 50 Euro, etwa, wie sie in einigen Ländern erwogen wird, wäre das eine Belastung von fünf Millionen Euro. Minderungsziele sind somit auch ein Weg, drohende Kosten möglichst klein zu halten. Wie andere in der Branche auch sieht Michalik noch einen wichtigen Vorteil bei der möglichst zügigen Umsetzung eigener Minderungsziele: „Je früher wir unsere CO2-Einsparziele erreichen, desto größer ist unser Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen, die die sicher kommenden Vorgaben noch nicht erfüllen.“